Seit Ausbruch der Finanzkrise in den USA im Sommer 2007 steht der Schweizer Bankenplatz unter Druck. Und nach dem Konkurs der amerikanischen Bank Lehman Brothers ein Jahr darauf brachte die Verschuldungskrise auch die Staaten ins Wanken. Umsichtige Länder und ihr Wohlstand gerieten unter Beschuss. Die Schweiz, ihre Kreditinstitute und ihr Bankgeheimnis wurden belagert, obwohl auch wir grosse Probleme zu bewältigen hatten. Die Belagerung ist nicht wieder aufgehoben worden. Sie wird im Gegenteil immer stärker, auch aufgrund des schwachen Widerstandes unserer Regierenden. Wie konnte sich das Tessin mit seinem nicht unbedeutenden Finanzplatz durch diese Turbulenzen manövrieren? Die Tessiner Bankiervereinigung hat kürzlich die Studie des Zentrums für Bankenstudien „La piazza finanziaria ticinese 2012“ veröffentlicht. Diese zeigt eine besorgniserregende Entwicklung in den fünf Jahren nach Ausbruch der weltweiten Wirren. Die Zahl der Institute hat sich stark verringert, sie sank von 2007 bis 2012 von 75 auf 56. Und auch wenn bestimmte Dienste wie die Informatik nur ausgelagert wurden, ist die Personalentwicklung dennoch düster: Innert fünf Jahren gingen fast 1200 Stellen verloren. Das Lohnvolumen sank von 938 Millionen Franken auf 852 Millionen. Die Einnahmen aus der Gewinnsteuer gingen von 75 Millionen Franken auf weniger als die Hälfte im Jahr 2011 zurück (für 2012 fehlen die Daten noch). Die Banken im Tessin sahen sich auch mit einer schweren Krise in Italien und fragwürdigen Massnahmen der Regierungen in Rom konfrontiert: Es hagelte Steueramnestien, und bei der Jagd nach mutmasslichen Steuersündern wurden bedenkliche Methoden angewandt. Italienische Vermögensinhaber sind wichtige Kunden für das Tessin. Wir sprechen hier von legal erwirtschafteten Vermögen, die dank den Amnestien auch steuerlich saniert sind. Ist der Niedergang also unaufhaltsam? Nein. Es gibt nicht nur Schattenseiten. Gemäss der jüngsten Konjunkturstudie des Tessiner Amtes für Statistik für das zweite Quartal 2013 ist der Tessiner Banksektor auf dem Weg der zögerlichen Besserung. Kundeneinlagen und Kreditvergabe sowie die Nachfrage nach Dienstleistungen der inländischen Kundschaft ziehen an, jene der Kundschaft aus dem Ausland scheint sich allmählich zu stabilisieren. Die Banken bleiben ein Eckpfeiler der Tessiner Wirtschaft. Der Bund dürfte jedoch nicht mit Entscheiden und Abkommen der Belagerung weiter nachgeben und an den Grundfesten unseres Systems rütteln. Es braucht jetzt auch eine politische Erholung.
M.M.
NZZ am Sonntag / Grenzerfahrungen, 15.12.2013
Pubblicato il: 15/12/2013