Erneut wird versucht, das Krankenversicherungssystem der Schweiz sozialistischer auszurichten. Am 28. September werden wir über die Volksinitiative zur Einführung einer schweizerischen öffentlichen Einheitskasse abstimmen. Sie würde das Ende der privaten Krankenkassen in der obligatorischen Grundversorgung bedeuten. Es ist nicht der erste Änderungsversuch in dieser Richtung. Im Jahr 2007 hatten Volk und Stände an der Urne die Einführung einer einheitlichen und sozialen Krankenkasse mit einkommensund vermögensabhängigen Prämien gemäss der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Versicherten mit 71,2 Prozent Nein-Stimmen deutlich abgelehnt.

Heute ist die Ausgangslage problematischer. Der stetige Prämienanstieg, die mangelnde Transparenz der Versicherungen, das Problem der Krankenkassenreserven, der Fall des ehemaligen Versicherungskartells, all dies ist Wasser auf die Mühlen der Linken. Und diesmal besteht das Schreckgespenst der Umwandlung der Prämien in eine Steuer nicht – noch nicht. Die Initiative hat reelle Chancen. Damit droht die Schweiz ein System zu verlassen, das der Gesamtbevölkerung alles in allem qualitativ gute Leistungen garantiert. Wir würden stattdessen Wege einschlagen, die in anderen Ländern zu einer Zwei-Klassen-Medizin mit insgesamt starken Qualitätseinbussen geführt haben.

Die Initiative könnte in jenen Kantonen ankommen, in denen die Kassen zu hohe Reserven angehäuft und so viel Unmut hervorgerufen haben. Das Tessin gehört da zu den am stärksten benachteiligten Kantonen. Obwohl die Ausgabensteigerung bei den KVG-Leistungen gebremst werden konnte, wurden den Versicherten weit höhere Prämien abverlangt, als zur Deckung jener Ausgaben nötig gewesen wären. Untersuchungen der Ärztevereinigung haben ergeben, dass die Reserven der Kassen rund 400 Millionen Franken über dem gesetzlichen Mindestwert liegen. Sie machen fast 40 Prozent der gesamten Prämieneinnahmen von 1,1 Milliarden Franken aus. Der Bundesrat und die eidgenössischen Räte sind weitgehend dafür verantwortlich, dass für dieses Problem keine Lösung gefunden wurde. Der Übergang zu einer schweizerischen Einheitskasse würde daran zwar nichts ändern.

Die Unzufriedenheit über die Krankenkassen ist jedoch so gross, dass der Urnengang vom 28. September wahrscheinlich auch ein Protest gegen die heutigen Versicherungen sein wird. Könnte dabei das Tessiner Votum gar den Ausgang der Initiative entscheiden? Schwer zu sagen. Doch ausschliessen können wir es nicht. Die Irrtümer der Vergangenheit sollten vermieden werden.

Marina Masoni, settembre 2014

Articolo apparso sulla NZZ am Sonntag il 7 settembre 2014

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Pubblicato il: 12/09/2014