Das Tessin hat bei der Abstimmung vom 28. September den Kredit für die Weltausstellung Expo 2015 in Mailand zwar abgelehnt, wird aber nächstes Jahr dennoch im Schweizer Pavillon anwesend sein. Die Polemik rund um die Abstimmung dürfte – auch angesichts der Skandale auf und neben der italienischen Baustelle – noch Monate nachhallen.
Die eine Seite beschuldigt die Kantonsregierung, sie wolle mit dem Einsatz von Geldern aus dem Lotteriefonds den Volkswillen umgehen (was das Bundesgericht zwar für zulässig erklärt hat, worauf die Regierung nun aber doch verzichten will). Die andere Seite beklagt die Kurzsichtigkeit der Gegner des Kredits und deren negative Vorurteile gegenüber allem, was mit Italien zu tun hat. Aus dieser Streiterei geht niemand unversehrt hervor. Das Image des Tessins ist bereits getrübt, und beide Seiten haben eine Unmenge an verbaler Energie verschleudert für ein Problem, das längst nicht so viel Aufhebens verdient hätte.
Erstens werden heutzutage die internationalen Ausstellungen als Werbeträger für Standorte oder als Chance für die Wirtschaft überbewertet. Im 19. und bis ins 20. Jahrhundert hinein waren Weltausstellungen tatsächlich noch einzigartige Ereignisse mit starker Ausstrahlung. Sie waren Begegnungsstätten, die ein Gefühl der Identität vermittelten und nachhaltige Auswirkungen hatten. Heute gibt es fast jedes Jahr solche Events in allen möglichen Sparten. Kaum ist eine grosse Messe vorbei, ist schon alles vergessen, und die nächste steht an. Wirtschaftlich gesehen, nehmen die Zweifel am Nutzen solch enormer Investitionen und Ausgaben zu. Man fragt sich, ob diese Gelder anderweitig nicht effizienter eingesetzt werden könnten, um die Schaffung von Wohlstand, Arbeitsplätzen oder Wirtschaftsinnovationen zu fördern. Die Frage ist berechtigt.
Zweitens scheint es übertrieben, sich in einer politischen Kampagne gegen einen im Grunde bescheidenen Kredit so zu erhitzen, wie das hier geschehen ist. Das Tessin hat wahrlich andere Probleme. Für die Teilnahme an der Expo 2015 mit anderen Kantonen und dem Bund und dazu noch vor den eigenen Toren gibt es gute Gründe, solange die Proportionen gewahrt bleiben. In Mailand dabei zu sein, ändert aber nichts daran, dass die wirklichen Probleme des Tessins gelöst werden müssen: Es braucht Arbeitsplätze für Ansässige, eine Zukunft für den Finanzplatz, die Sanierung der öffentlichen Finanzen und das Entwickeln von Visionen und kompetitiven Strategien. Die Beziehungen zu Mailand und zur Lombardei sind für uns zwar sehr wichtig. Doch die Zukunft des Tessins hört nicht 2015 in Mailand auf.
Marina Masoni / 03.10.2014
Articolo apparso sulla NZZ am Sonntag il 5 settembre 2014
Pubblicato il: 10/10/2014