Seit gut drei Jahren äussert und belegt die Schweizerische Nationalbank ihre grosse Besorgnis über den Immobilienmarkt und die Folgen für die Banken. Auch diverse Analysen warnen vor den Risiken einer Überhitzung. Zwar ist die Ausgangslage heute eine andere als noch Ende der achtziger und am Anfang der neunziger Jahre, doch wäre es verfehlt, die negativen Signale nicht ernst zu nehmen. Anfang Dezember hat die Agentur Standard & Poor’s das Rating einiger Banken herabgestuft, die den Risiken des Hypothekenmarktes besonders stark ausgesetzt sind. Unter ihnen sind auch mehrere Kantonalbanken.
Stark betroffen ist das Tessin. Besonders im Locarnese, aber auch in Lugano zeigt sich ein deutlicher Aufwärtstrend der Immobilienpreise. Ungeachtet einiger lokaler oder besonderer Umstände war eine mittel- und langfristige Entwicklung festzustellen, die zu Problemen führen könnte, falls die Hypothekarzinsen anziehen sollten. Viele Private, besonders auch Familien mit teilweise bescheidenen Einkünften, haben die Gelegenheit ergriffen, ein Haus zu kaufen. Zuerst wegen der tiefen Immobilienpreise Mitte der neunziger Jahre, später wegen der sehr vorteilhaften Hypothekarzinsen. Ausserdem kam es im Tessin zu umfangreichen Investitionen in Mietimmobilien (Wohnungen oder Büros), auch im gehobenen Segment, und in Firmengebäude.
Die Tessiner Bankiervereinigung hat nun die neusten Zahlen zu Hypothekenvergaben durch ihre Mitgliederinstitute im Kanton – mit Ausnahme der Filialen ausländischer Banken oder Privatbanken – veröffentlicht: Demnach überstiegen im Jahr 2013 die Hypothekarkredite zum ersten Mal die Grenze von 40 Milliarden Franken. Noch im Jahr 2001 hatte die Gesamtsumme der Hypothekarkredite 20,8 Milliarden Franken betragen; ihr Volumen hat sich also innert zwölf Jahren verdoppelt. Im gleichen Zeitraum stiegen allerdings die Sparguthaben im Kanton Tessin viel weniger stark an. Sie wuchsen von 12,7 Milliarden auf 19,6 Milliarden Franken. Pro Kopf wuchs die Hypothekarverschuldung im Tessin zwischen den Jahren 2001 und 2013 von 66 605 Franken auf 120 693 Franken, während das Sparvermögen nur von 40 681 Franken auf 56 498 Franken zunahm.
Oder anders ausgedrückt: Das Verhältnis zwischen Ersparnissen pro Kopf und Hypothekarschulden pro Kopf verschlechterte sich im Kanton Tessin deutlich, von 61 Prozent auf 47 Prozent. Schweizweit hingegen verbesserte sich dieses Verhältnis sogar leicht, von 61 Prozent auf 65 Prozent. Auf dem Tessiner Immobilienmarkt ist besondere Vorsicht geboten.
Marina Masoni / Articolo apparso sulla NZZ am Sonntag il 28 dicembre 2014
Pubblicato il: 04/01/2015