Im «Manifest der Kommunistischen Partei» von Karl Marx und Friedrich Engels, Kapitel zwei, steht die berühmte Liste der «despotischen Eingriffe», die das Proletariat dazu benutzen sollte, um «der Bourgeoisie nach und nach alles Kapital zu entreissen». Die dritte Massregel ist die «Abschaffung des Erbrechts». Genau 167 Jahre später werden wir in der Schweiz nun zur Urne gerufen, um über einen Vorschlag abzustimmen, der zwar das Erbrecht nicht abschafft, jedoch eindeutig in diese Richtung geht. Es ist die Initiative der Evangelischen und der Linken für eine nationale Erbschaftssteuer.
Das Tessin blickt mit grossem Misstrauen und mit nicht wenigen Befürchtungen auf die Abstimmung vom 14. Juni. Warum? Weil die Verteidigung des Eigentums, also des von der Verfassung garantierten Rechts auf Privateigentum, einen Wert darstellt, der den Tessinern sehr am Herzen liegt, ganz besonders das Grundeigentum. Jeder Bürger soll das Recht haben, sein Eigentum den Verwandten so intakt und so frei wie möglich zu übergeben. Umso mehr, als das Einkommen und das Vermögen jährlich besteuert werden. Die Erbschafts- und Schenkungssteuer ist allerdings bereits als solche ein Angriff auf das Eigentumsrecht. Deshalb hat das Tessin in den Jahren der Modernisierung des kantonalen Steuersystems einige Reformen eingeleitet, die alle darauf abzielten, die Erbschafts- und Schenkungssteuer zu senken und einzuschränken. 1995 hat der Kanton die Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen für Ehepartner abgeschafft und die Befreiung 2000 auch auf direkte Vor- und Nachfahren ausgeweitet. Das Volk hat diese Schritte klar befürwortet.
Mit der bevorstehenden Abstimmung riskieren wir, diese Reformen und Fortschritte wegzufegen. Anstatt den Kantonen die Freiheit zu lassen, ihre Erbschafts- und Schenkungssteuern weiter zu senken, will die Initiative den Rückwärtsgang einschalten und die Steuersouveränität der Kantone abschaffen. Das ist eine wahrhaftig despotische Massregel. Anstatt die anderen engen Verwandten wie etwa Geschwister von dieser Steuer zu befreien, wollen die Initianten der Erbschaftssteuer nicht nur diesen Schritt verhindern, sondern sogar noch die Kinder, die von ihren Eltern eine Erbschaft oder Schenkung erhalten (bereits Geschenke ab 20 000 Franken) mit dieser Steuer belasten. Die Stimme der Kantone, also die Standesstimme, ist daher besonders wichtig. Das Tessin wird aller Voraussicht nach seinen Beitrag leisten, um das Recht auf Eigentum zu retten und den Steuerföderalismus gegen den Steuerdespotismus zu verteidigen.
Marina Masoni
Articolo apparso nella NZZ am Sonntag il 31 maggio 2015
Pubblicato il: 05/06/2015