Wie stark darf sich eine Exekutive bei einer Abstimmungskampagne engagieren? Diese Frage stellt sich immer wieder, auf allen institutionellen Ebenen. Schon öfters gab es Versuche, die aktive Einflussnahme der Regierungen für ihre eigenen Projekte zu beschränken. Eine Konsenslösung konnte allerdings bis jetzt nicht gefunden werden, und das ist auch normal.
Die direkte Demokratie stellt die Wählenden vor die drastische Entscheidung zwischen Ja und Nein (auch wenn ein Gegenvorschlag vorliegt). Die öffentliche Auseinandersetzung ist oft angeheizt und manchmal sogar unkorrekt. Für eine Exekutive ist es darum fast unmöglich, sich herauszuhalten und sich nur auf die Publikation der Abstimmungsempfehlungen sowie auf die Pressekonferenz zu Beginn des Abstimmungskampfes zu beschränken. Wenn die Gemüter zu überhitzen drohen, wird das Schweigen zur Zwangsjacke und ist manchmal sogar falsch. Dennoch gibt es Grenzen.
Im Tessin wird nächstes Wochenende über eine Parkgebühr abgestimmt. Der Kanton will den Unternehmen und Einkaufszentren mit mehr als 50 Parkplätzen eine Abgabe auferlegen, die jährliche Mehreinnahmen von 18 Millionen Franken bringen würde. Die Kantonsregierung will diese Abgabe unbedingt einführen, um den öffentlichen Verkehr zu fördern und die tiefroten Staatsfinanzen zu sanieren. Sie und da vor allem das zuständige Dipartimento del territorio hat eine ungewöhnlich intensive Kampagne lanciert.
Auf der Homepage des Kantons finden sich Appelle und Slogans wie noch nie zuvor. Die wörtlich gleichen Slogans wurden auch in der Wochenzeitung der Lega dei Ticinesi, deren Staatsrat das Departement leitet, abgedruckt. Sogar auf der Strassenverkehrs-App «Viabilità Ticino» (mit Webcams zu den Strassen) wird für die neue Steuer geworben. Dieser propagandistische Aktivismus hat zahlreiche Parlamentarier zu einem kritischen Vorstoss im Grossen Rat verleitet. Der Vorwurf lautet: Staatspropaganda. Es gibt nur Argumente für die Steuer, keinen einzigen Hinweis auf Gegenargumente.
Dieses Mal haben die Grossrätinnen und Grossräte recht. Die Kantonsverfassung sagt in Artikel 56, dass Regierung und Behörden die Bevölkerung aktiv informieren müssen: «Jede Behörde informiert angemessen über ihre Aktivitäten.» Information ist aber keine Propaganda. Angemessene Information bedeutet nicht einseitige, aufdringliche Kampagnen über Kanäle, die im Dienste aller Bürgerinnen und Bürger stehen sollten und nicht nur jener, die auf eine bestimmte Art denken. Die gelbe Karte ist gerechtfertigt.

Marina Masoni / articolo apparso sulla NZZ am Sonntag il 29 maggio 2016

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Pubblicato il: 03/06/2016