Am 19. April wird im Tessin gewählt, morgen Montag reichen die Parteien ihre Listen ein. Der Wahlkampf ist jedoch schon längst in vollem Gange, geht doch schon bald eine bewegte Legislaturperiode zu Ende, die von starken Differenzen zwischen den fünf amtierenden Staatsräten und den vier Regierungsparteien (Lega dei Ticinesi mit zwei Sitzen; FDP, CVP und SP mit je einem Sitz) gezeichnet war. Die Finanzprobleme des Kantons, der wohl ein Defizit von über 200 Millionen Franken aufweisen wird, die grossen Probleme auf dem Arbeitsmarkt und der massive Anstieg der Grenzgänger scheiden die politischen Geister und erschweren gemeinsame Strategien und Massnahmen zur Lösung der Probleme. Und so wird die Frage des Wahlsystems neu aufgeworfen. Mehrere politische Exponenten fordern einen Wechsel.
Nachdem jüngst auch der Kanton Zug die Majorzwahl eingeführt hat, ist das Tessin nunmehr der einzige Kanton, der seine Regierung noch im Proporz wählt. In den vergangenen Jahren wurde das System zwar etwas angepasst, doch das Prinzip wurde nie infrage gestellt. Heute werden die fünf Regierungssitze nach der Hagenbach-Bischoff-Methode verteilt (wie bei den Nationalratswahlen). Bis Ende der achtziger Jahre galt im Kanton Tessin hingegen die Methode D’Hondt. Als 1987 die CVP einen ihrer beiden Regierungssitze einbüsste, lancierte sie eine Volksinitiative für die Einführung der Hagenbach-Bischoff-Methode, die vom Stimmvolk angenommen wurde. Dank dieser Änderung gewann die CVP ihren verlorenen Sitz zurück, verlor ihn allerdings vier Jahre später erneut und hat seit 1995 nur noch einen Vertreter im Tessiner Staatsrat.
Heute sind in der fünfköpfigen Proporzregierung vier Parteien vertreten, mit folgendem Wähleranteil: Lega 25,9 Prozent, FDP 22,0 Prozent, CVP 17,4 Prozent, SP 14,3 Prozent. Die Wahlzettel ohne Parteibezeichnung kamen bei den letzten Wahlen auf 13,6 Prozent. Vor rund zehn Jahren hatte die Regierung eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die zwei mögliche Majorzsysteme vorschlug. Das Erste wurde inspiriert durch ähnliche Systeme in anderen Kantonen, das zweite orientierte sich an Majorzverfahren in italienischen Regionen. Der Bericht versank in einer Schublade. Nun ist die Idee wieder auf dem Tisch. Neu lanciert wurde sie nicht zuletzt vom Präsidenten der CVP, welche zuvor stets den Proporz unterstützt hatte. Ist dieses System nun also am Ende? Viel hängt nun von den kommenden Wahlen ab und davon, wie die neue Regierung in der nächsten Legislatur arbeiten wird, die sehr problematisch zu werden verspricht.
Marina Masoni
Articolo apparso sulla NZZ am Sonntag l’8 febbraio 2015
Pubblicato il: 16/02/2015