Brauchen wir wirklich neun statt sieben Bundesräte? Das Thema ist wieder aktuell. Die staatspolitische Kommission des Nationalrats hat eine Initiative beschlossen, um die Bundesverfassung dahingehend zu ändern. Wozu? Die sprachlichen Minderheiten sollen in der Exekutive besser vertreten sein. Dabei denkt die Kommission besonders an die italienischsprachige Schweiz, «welche bei der aktuellen parteipolitischen Konstellation fast keine Chance mehr hat, ein Mitglied des Bundesrates zu stellen, wenn dieser nur aus sieben Personen besteht.»
Das Problem wurde in zweierlei Hinsicht falsch aufgegleist. Zunächst einmal institutionell: Primäre und wichtigste Aufgabe des Bundesrates ist nicht das Repräsentieren, sondern das Regieren. Natürlich schliesst das eine das andere nicht aus. Es kann jedoch kein Zweifel geben bei der Frage, ob die Exekutive eher auf eine bessere Regierungsfähigkeit oder auf eine stärkere Sprachenvertretung verzichten sollte: In vernünftigem Masse und im Rahmen des eidgenössischen Gleichgewichts ist das Kriterium der Vertretung zu opfern. In unserem föderalistischen System werden die Sprachminderheiten vom Parlament und weniger vom Bundesrat repräsentiert. Daher formuliert die Bundesverfassung nur unverbindlich, es sei bei der Zusammensetzung und Wahl des Bundesrates «darauf Rücksicht zu nehmen, dass die Landesgegenden und Sprachregionen angemessen vertreten sind». So ist jedes Mitglied der Exekutive berufen, das ganze Land zu vertreten. Ein neunköpfiger Bundesrat gäbe der Verwaltung mehr Macht (zwei Departemente mehr), würde aber die Exekutive schwächen und die Kollegialität gefährden. Er wäre repräsentativer aber weniger wirksam.
Der zweite Grund betrifft die italienischsprachige Schweiz. Unser Föderalismus gewährt den Sprachregionen weitreichende Garantien: Hier braucht die Schweiz keinen Vergleich zu scheuen. In einem solchen Kontext sollte eine sprachliche Minderheit nicht fordern, sondern geben, möglichst ihr Bestes. Wenn wir die Latte tiefer legen, also der italienischen Schweiz einen Sitz in der Landesregierung garantieren, fällt dieser Anreiz weg. Für uns Südschweizer sollte der Bundesratssitz kein verfassungsrechtlicher Anspruch sein, sondern die Anerkennung unserer Kompetenzen im Dienste des Landes.
MM / NZZ am Sonntag 08.09.2013
Pubblicato il: 08/09/2013