Erinnern Sie sich noch an den grossen FC Lugano von Otto Luttrop und Mario Prosperi? 1968 gewann er im alten Berner Wankdorf den Schweizer Cup gegen Winterthur. Damals war der Tessiner Fussball noch auf höchster Schweizer Ebene dabei und konnte sogar europäisch auftreten. Eine zweite Glanzphase erlebte Lugano in den neunziger Jahren, er wurde 1993 zum dritten Mal in seiner Vereinsgeschichte Cup-Sieger. Es folgten der Abstieg, 2003 sogar der Konkurs, der schwierige Neustart und viele Enttäuschungen in den vergangenen Jahren. Das Tessin verfügte immerhin noch über eine andere starke Mannschaft, die AC Bellinzona von Paulo César und Kubilay Türkyilmaz. Bis 2011 spielte Bellinzona vorübergehend sogar in der Super League, musste jedoch 2013 nach vielen Wirren ebenfalls den Konkurs anmelden. Heute fehlt es dem Tessiner Fussball an Qualität, er erzeugt keine Leidenschaft mehr. Die Super League liegt in weiter Ferne, in der Challenge League halten sich Lugano, Chiasso und Locarno zwischen Problemen und leeren Stadien knapp über Wasser. Daher hatte der Präsident des FC Locarno, Stefano Gilardi, die Idee, das Blatt zu wenden, neu zu starten und den FC Ticino zu gründen. Der Plan fand kaum Anhänger, stiess auf viel Kritik und Misstrauen. Am 4. April hat nun auch der Schweizerische Fussballverband den Antrag des FC Locarno auf den Namenswechsel in FC Ticino abgelehnt. Ein Klub darf von Rechts wegen nicht den Namen des Kantons tragen, solange im Kanton noch andere Vereine aktiv sind. Das Projekt ist damit gestorben. Lugano, Chiasso und Locarno werden weiter in der Challenge League spielen, wenn überhaupt, und Bellinzona wird sich nach dem Konkurs wieder schrittweise hocharbeiten müssen. Und so stolpert das Tessin, das im Eishockey zwei grosse Klubs in der obersten Liga zu erhalten vermag, über den Fussball. Die glorreichen Zeiten bleiben Erinnerung. Ein Zukunftstraum muss erst noch erfunden werden. Wären wir im Tessiner Fussball gemeinsam nicht stärker? Das politische Tessin hat Ende der neunziger Jahre das Projekt der Gemeindefusionen gestartet. Es ist weit gekommen, und dieses Jahr wurde noch mehr in diese Richtung investiert. In den meisten Fällen hat die Bevölkerung mitgemacht, zum Teil gar mit Begeisterung. Beim Fussball überwiegt hingegen der Lokalpatriotismus. Das ist legitim, denn es zeigt eine starke Verwurzelung in der lokalen Realität, der eigenen Identität. Doch diese erzeugen nicht genug Ressourcen. Und ohne solche kommt man nicht weiter. Quo vadis, Tessiner Fussball?

Marina Masoni ist Anwältin und ehemalige Staatsrätin des Kantons Tessin

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Pubblicato il: 09/05/2014