Wie lange sollten in einer Grenzregion wie im Tessin die Läden offen bleiben? Morgen Montag wird im Grossen Rat in Bellinzona ein neuer Gesetzesentwurf über die Ladenöffnungszeiten diskutiert. Werden die Rahmenbedingungen für den Detailhandel endlich angepasst? Hoffentlich. Doch auch dieses Mal sind sich die politischen Lager uneinig. Es ist nicht auszuschliessen, dass bei einer Annahme der Reform das Referendum lanciert wird.
Dabei ist das Anliegen nicht etwa revolutionär: Das Projekt sieht als allgemeine Regel vor, dass die Läden an Werktagen von 6 Uhr früh bis um 19 Uhr geöffnet bleiben können (also eine halbe Stunde länger als heute) und am Samstag von 6 Uhr bis um 18 Uhr 30 (anderthalb Stunden länger). Wie bisher müssten die Geschäfte jeweils am Donnerstagabend erst um 21 Uhr schliessen. Neu wäre die gesetzliche Grundlage für Sonntagsverkäufe – an drei Sonntagen vor Weihnachten sowie an Feiertagen für alle Geschäfte; darüber hinaus an allen Sonn- und Feiertagen für Einkaufszentren in Tourismusregionen und für Geschäfte im Grenzgebiet mit einem speziell auf den Tourismus ausgerichteten Angebot. Die FDP, die Lega, die CVP – mit gewissen Vorbehalten – sowie die SVP unterstützen diese Gesetzesänderung. Die SP und der Gewerkschaftsflügel der CVP sind dagegen.
In der Geschäftsprüfungs- und Finanzkommission des Grossen Rates wurde lange über eine Frage diskutiert, die sich bereits in der Vergangenheit gestellt hatte: Sollen die längeren Ladenöffnungszeiten an die Verpflichtung der Detailhändler gebunden werden, einen Gesamtarbeitsvertrag zu unterzeichnen? Eine solche Bindung, gedacht als Schutz der Arbeitsbedingungen der Angestellten, ist jedoch auf kantonaler Ebene nicht möglich: Laut Rechtsprechung des Bundesgerichts hat nur der Bund mit der Arbeitsgesetzgebung die Kompetenz dafür. Dies wurde der grossrätlichen Kommission durch Gabriel Aubert, Professor für Arbeitsrecht an der Universität Genf, in einem Gutachten vom 28. Januar bestätigt.
Es wird also erneut zu einer harten Auseinandersetzung kommen, wie bereits Ende der neunziger Jahre. 1999 verwarf das Tessiner Stimmvolk eine weitergehende Reform ganz knapp, doch 1997 war auch eine restriktive Initiative an der Urne gescheitert. Seit dem letzten Versuch sind über 16 Jahre verflossen, und das Tessin tritt immer noch an Ort und Stelle. Ein Tourismuskanton in einer Grenzregion braucht aber längere Ladenöffnungszeiten. Vielleicht helfen die herrschenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten, einen Schritt nach vorne zu machen.
Marina Masoni
Articolo apparso sulla NZZ am Sonntag il 22.03.2015
Pubblicato il: 27/03/2015