Kreative Köpfe, die international anerkannt werden, haben es im Tessin nicht leicht. Dem Architekten Mario Botta zum Beispiel, weltberühmtes Aushängeschild des Tessins und Ikone der Architektur, begegnet sein Heimatkanton mit einer Art Hassliebe, sogar in politischen Debatten.
Ähnlich geht es dem Regisseur, Theaterautor und Choreografen Daniele Finzi Pasca. Er ist eine herausragende Persönlichkeit, geboren vor fünfzig Jahren in Lugano, und wird heute ausgerechnet dort von einem Teil der Politiker angefeindet. Die Lega dei Ticinesi und die SVP haben sich im Stadtparlament gegen den Kredit für die Zusammenarbeit von Finzi Pasca mit dem künftigen Kulturzentrum am Seeufer, dem «Lugano Arte e Cultura» (LAC) – eine Art KKL Luzern für Lugano – gestellt. Offenbar ist die Kultur bei einigen politischen Kräften verpönt. Diese Kräfte berufen sich auf die finanziellen Schwierigkeiten der Stadt: Die Jahresrechnung schliesst mit einem massiven Defizit, die öffentliche Schuld wächst jedes Jahr bedenklich an. Dies lasse keine Zusammenarbeit des Starregisseurs mit dem LAC zu. Dieser Ansatz ist rein buchhalterisch, will nicht in die Zukunft sehen und hat keine konzeptuelle Vision für den städtischen Pol Lugano, die Lokomotive des Kantons.
Im Tessin findet hochstehende und international beachtete Kultur vorwiegend in zwei Gemeinden statt: in Locarno (mit dem internationalen Filmfestival) und in Lugano (mit seinen Museen, dem Orchester der italienischen Schweiz, dem Barockchor und bald auch mit dem LAC). Es gibt im Tessin zwar viele interessante, wichtige und wertvolle kulturelle Anlässe, doch diese stellen eher Trümpfe im Ärmel dar. Für eine umfassende Vision bedarf es echter Persönlichkeiten. Es braucht kreative Inhalte, eine oder mehrere künstlerische Seelen für die Gefässe, die errichtet werden. Finzi Pasca ist eine solche Seele. Der Luganer Künstler hat die phänomenale Schlussfeier der Olympischen Spiele von Sotschi kreiert, die sogar jene von Turin übertraf, und weltweit Lob und Bewunderung erntete. Er hat das Theater Sunil ins Leben gerufen, mit einer Theatertechnik, die sich «Theater der Zärtlichkeit» nennt, und er hat seine Compagnia Finzi Pasca gegründet. Er würde dem LAC gewiss eine originelle Note verleihen. Und dennoch wurde gegen den – übrigens eher bescheidenen – Kredit, den das Stadtparlament verabschiedet hat, bereits das Referendum angedroht. Hoffen wir, dass der Stadt Lugano, dem Kanton Tessin und der ganzen Schweiz das Trauerspiel eines politischen Hickhacks erspart bleibt, das wenig mit Qualitätskultur zu tun hat.
Marina Masoni
Articolo apparso sulla NZZ am Sonntag il 30 novembre 2014
Pubblicato il: 05/12/2014