Es gibt Dinge, die kann man nicht kaufen, sagt ein Werbespot. Etwas, das man in unserem Land nicht kaufen kann und hoffentlich nie kaufen muss, ist die freie Mobilität zwischen den Kantonen: Sie ist das Recht aller Bürger, egal, wo sie wohnen. Bei der Gründung der modernen Schweiz wurden die inneren Schranken abgeschafft und durch den eidgenössischen Zusammenhalt ersetzt. Zölle zwischen den Kantonen, Gebühren für die Überquerung natürlicher Schranken zwischen den Regionen oder finanzielle Einschränkungen der Freiheit aller Bürger, sich irgendwo in der Schweiz niederzulassen – all dies ist nicht mit den Grundprinzipien unseres Landes vereinbar.

Bei der Diskussion um den Gotthardstrassentunnel müssen wir uns wieder darauf besinnen. Die moderne Schweiz hat bewusst auf die Erhebung von Strassenzöllen verzichtet, weil sie innere Diskriminierungen verhindern wollte. Man kann jetzt diese goldene Regel nicht plötzlich brechen, wenn es um die Kosten für die Sanierung des Tunnels geht, der das Tessin mit der restlichen Schweiz verbindet. Was würden die Freiburger sagen, wenn sie für die Überquerung der Sarine eine Maut zahlen müssten? Was die Bündner im Misoxtal und in Chur, wenn man am San Bernardino eine Gebühr verlangen würde? Und wer würde festlegen, welche der natürlichen Hindernisse gebührenpflichtig würden und welche nicht? Aufgrund welcher Kriterien? Aufgrund der Kosten? Das wäre unhaltbar. Die Schweiz finanziert ihre Strassen mit anderen Mitteln. Die Autofahrenden und der Schwerverkehr zahlen bereits mit hohen Abgaben einen wichtigen Beitrag an das Strassennetz. Alle zahlen für sich und für alle anderen. So kostet die Autobahnvignette für alle gleich viel, ungeachtet dessen, wie viele Kilometer man fährt und wie viele Brücken und Tunnels man benutzt. In unserem System darf es keine zusätzlichen diskriminierenden Abgaben geben, wenn wir weiterhin eine freie und in der Verschiedenheit einige Schweiz wollen.

Deshalb ist der Vorschlag einer Gebühr für den Gotthardstrassentunnel abzulehnen. Die ganze Schweiz hat den Auftrag, die Sanierungskosten des Tunnels solidarisch mitzutragen. Unsere Zeit braucht keine zusätzliche Trennung, sondern mehr Zusammenhalt, keine Diskriminierung, sondern wieder erstarkte Einigkeit. Auch und gerade in materiellen Belangen wie Strassen, Brücken und Tunnels, die ja annähern und nicht auseinander bringen sollen; verbinden und nicht trennen. Es gibt Dinge, die darf man nicht kaufen müssen. Dazu gehört die Bewegungsfreiheit in unserem Land: Keine Tunnelgebühr für den Gotthard also.

Marina Masoni / Articolo apparso sulla NZZ am Sonntag il 18 maggio 2014

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Pubblicato il: 23/05/2014