Die Kapitalgewinnsteuer ist wieder auf dem Tisch. Nicht etwa auf Anregung der Linken, sondern des Bundesrates, leise und unauffällig, in der Vernehmlassungsvorlage zur Unternehmenssteuerreform III. Noch im Jahr 2001 hatte der Bundesrat die vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund geforderte Besteuerung von Kapitalgewinnen bekämpft. Doch jetzt lanciert er die Idee sogar selbst, obwohl Volk und Stände sie damals deutlich verworfen haben.
Man darf seine Meinung durchaus ändern, doch sollte es sehr gute Gründe dafür geben. Solche sind jedoch im Bericht zur Unternehmenssteuerreform III nicht zu erkennen. Der Bundesrat beruft sich auf die notwendige Vereinfachung der Steuergesetzgebung und will die erwarteten Steuerausfälle aus der Reform wettmachen.
Beunruhigend an der bundesrätlichen Flucht nach vorne ist, dass die angestrebte Kapitalgewinnsteuer weit über die damals vom Volk verworfene Forderung des Gewerkschaftsbundes hinausgeht. Dieser hatte einen Einheitssatz von mindestens 20 Prozent auf den Kapitalgewinn verlangt. Nun will die Regierung den Kapitalgewinn zu den anderen Einkommen der natürlichen Personen schlagen und als solches besteuern. Dies würde zu progressiven und deutlich höheren Steuersätzen führen. Mit einem Unterschied: Bei Kapitalgewinnen aus Beteiligungsrechten sollen 70 Prozent in die Bemessungsgrundlage einfliessen, bei anderen Wertpapieren wären es 100 Prozent. Solche Gewinne würden also zum steuerbaren Einkommen hinzugerechnet, so wie der Eigenmietwert für Hausbesitzer.
Das hätte schwerwiegende Auswirkungen auf die Steuerlast. Im Tessin beträgt der maximale Steuersatz für natürliche Personen 41,5 Prozent (15 Prozent Kantons-, 15 Prozent Gemeindesteuer bei einem Steuerfuss von 100 Prozent, 11,5 Prozent direkte Bundessteuer). Die Grenzsteuersätze können noch höher ausfallen. Beim Verkauf von Aktien würde 70 Prozent des Kapitalgewinnes zum Einkommen hinzugerechnet und entsprechend besteuert, bei Obligationen und anderen Titeln sogar der gesamte Kapitalgewinn.
Wir gehen also nicht nur mehr bürokratischem Aufwand entgegen, sondern auch einem massiven Anstieg der Steuerlast, der unseren Finanzplatz im internationalen Vergleich benachteiligen würde. Italien zum Beispiel besteuert den Kapitalgewinn nach der Steuererhöhung durch die Regierung Renzi mit 26 Prozent (zuvor 20). Und es wird dort keine umfassende Vermögenssteuer erhoben, die – wie in der Schweiz – das Kapital jährlich belastet. Die Kehrtwende des Bundesrates ist unbegreiflich.
Marina Masoni / 13.10.2014
Articolo apparso sulla NZZ am Sonntag il 19.10.2014
Pubblicato il: 24/10/2014